Dass G8 auf Dauer [wirtschaftlich] günstiger ist, liegt auf der Hand, gibt es aber auch pädagogische Argumente, die für G8 sprechen?

Ich persönlich tue mich damit schwer, solche zu erkennen. Sowohl durch persönliche Erfahrungen im Beruf als auch während meiner Ausbildung (Lerntheorien, entwicklungs­psychologische Erkenntnisse) neige ich dazu, zu sagen, dass ich G9 für den Großteil der Schüler als deutlich sinnvoller erachte. Die Schüler bekommen ein Jahr mehr Zeit, sich zu entwickeln, ein persönliches Profil zu entwickeln, in der Schule und außerhalb der Schule zu lernen, Verantwortung und Aufgaben zu übernehmen.

Im Plenarprotokoll war von Jugendgruppen etc. zu lesen, die Nachwuchsprobleme haben. Als Vereinssportler und langjähriger Jugendtrainer kann ich mich anschließen und beklage nicht nur das Fernbleiben der Jungsportler, sondern auch einen mangelnden Nachwuchs an Trainern, die bereit sind und die Zeit haben, sich neben der Schule zu engagieren. Das kann auch ein Problem mangelnder Reife sein, da den Schülern ein Jahr fehlt. Ein Jahr, in dem sie viele Neigungen, auch außerschulische, erst entwickeln. Dazu lassen wir es aber nicht mehr kommen. Rechnet man das weggefallene Jahr Zivildienst bzw. Bundeswehrzeit dazu, dann beginnen die Jugendlichen schon zwei Jahre früher ihr Studium bzw. ihre Ausbildung und sind ihren Heimatvereinen, in denen sie groß geworden sind und für die sie vielleicht (später) bereit wären sich zu engagieren, entzogen und verlieren den Kontakt, bevor sie hierfür ein Interesse entwickeln hätten können.

[...] habe ich schon mit vielen Lehrkräften telefoniert und den Eindruck bekommen, dass es schon jetzt immer schwieriger wird, Zeit für Aktivitäten an außerschulischen Lernorten zu finden. Das ist natürlich ausgesprochen kritisch zu sehen, sind doch gerade diese Erlebnisse es, die nachhaltige Eindrücke hinterlassen und Schülern Zukunftsperspektiven bieten können.

Aber Schülerinnen und Schüler sind immer weniger bereit, Zeitfenster außerhalb der regulären Unterrichtszeit für die Schule – auch wenn es nur einmalige Angebote sind – zu opfern, außerdem richten Schulen vermehrt Sperrfristen ein, innerhalb derer keine außerschulischen Aktivitäten liegen dürfen. Dies tangiert mich bzw. meine Institution natürlich sehr stark, da wir so weniger häufig Buchungsanfragen erhalten bzw. weniger gleichmäßig ausgelastet sein werden, wenn sich dieser Trend fortsetzt.

Aus meiner Funktion heraus würde ich mich daher für eine Rückkehr zu G9 aussprechen und stattdessen für eine wirkliche individuelle Förderung, nicht nur in der Schule, sondern auch durch außerschulische Angebote, plädieren.

Stellungnahme zur Drucksache 18/200 des Landtags S-H vom 28.11.2012
Karsten Bornemann
MINT-Akademie der FH Flensburg
Koordination Schülerlabor

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