Offener Brief an Armin Laschet
Sehr geehrter Herr Laschet,
danke für Ihr Schreiben vom 14. Oktober 2015. Wir haben uns sehr gefreut, dass Sie sich persönlich mit unserem Anliegen beschäftigen!
Am Ende dieses Schreibens haben wir tabellarisch dargestellt, wie sich die Jahreswochenstundenzahl zusammensetzt, woraus sich sehr übersichtlich eine Beantwortung Ihrer Frage ergibt. Gern möchten wir aber hier auf die wichtigsten Aspekte eingehen.
Die KMK gibt für das Ablegen des Abiturs eine Gesamt-Jahreswochenstundenzahl von 265 in der Sek. I und Sek. II vor.
Diese ergab sich an Gymnasien früher aus 179 (!) JWS in der Sek. I und 86 JWS in der Sek. II. Für die Sek. I galten auch an allen anderen weiterführenden Schulen 179 JWS, um erfolgreich die Fachoberschulreife abzulegen. Der Übergang nach Jg. 10 z.B. von einer Realschule auf ein Gymnasium gestaltete sich daher problemlos, weil auch diese Schüler das Abitur ablegen durften mit einer Gesamt-Jahreswochenstundenzahl von 265.
Ihre Vorgängerregierung plante 2005 eine Kürzung der Oberstufe von drei auf zwei Jahre. Die Sek. II sollte dabei auf 77 JWS gekürzt werden. Mit den 179 JWS der Sek. I hätten sich nun insgesamt nur noch 256 JWS ergeben, also nicht genügend, um ein Abitur ablegen zu dürfen. Daraus ergab sich eine Erhöhung der JWS in der Sek. I aller Schulen um die fehlenden 9 JWS, also auf 188 JWS. Wären die Realschulen etc. bei 179 JWS geblieben (was ausreicht, um die Fachoberschulreife abzulegen), so hätten Schüler nicht mehr in die Oberstufe wechseln und ein Abitur ablegen dürfen. Um die anderen weiterführenden Schulen, also z.B. die Realschulen von einer Erhöhung der JWS zu überzeugen, wurde ihnen im Gegenzug eine Erhöhung der Lehrerstellen zugesichert. Alle Neuerungen bedurften einer Änderung der APO-GOSt und der APO-S1.
Dann kam es nach dem 22.05.2005 jedoch zum Regierungswechsel. Ihre Regierung, Herr Laschet, entschied sich GEGEN die Kürzung der Oberstufe und FÜR die Kürzung der Sek. I. Die Oberstufe wurde auf 102 (!) JWS erhöht, die Sek. I am Gymnasium auf 163 gekürzt, wobei sich wiederum die von der KMK festgelegte Gesamt-Wochenstundenzahl von 265 ergibt.
An dieser Stelle nun noch einmal zur Forderung der Gesetzesinitiative: Wir fordern, dass die JWS in der Sek. I (an Gymnasien) auf 179, verteilt auf die Jg. 5-10, zurückgesetzt wird.
Zurück zur Rechnung oben: Gleichzeitig behielt Ihre Regierung jedoch die Änderung der APO-S1 der Vorgängerregierung bei, bezogen auf die anderen weiterführenden Schulen wie die Realschulen. Das heißt, sie mussten Ihre JWS ohne Not auf 188 erhöhen, ohne dass die Oberstufe gekürzt worden wäre, sondern nachdem die JWS in der Sek. II sogar von 86 auf 102 JWS erhöht wurden. Das führt also zu der erstaunlich hohen Gesamt-Wochenstundenzahl von 290, wenn ein Realschüler nach der Fachoberschulreife in die gymnasiale Oberstufe wechselt und dort sein Abitur macht. Daraus ergibt sich als logische Schlussfolgerung natürlich auch die Forderung nach einer Zurücksetzung der JWS an anderen weiterführenden Schulen in der Sek. I auf 179.
Nun zu Ihrer Anmerkung, dass eine flächendeckende Rückführung zu G9 diejenigen Schulen und Eltern missachten würde, die bei G8 bleiben wollen. Wir möchten an dieser Stelle auf die Studien zum Elternwillen hinweisen, die verdeutlichen, dass knapp 80% der Befragten sich für G9 aussprechen: Laut der 3. Jako-O-Bildungsstudie 2014 sind 79 Prozent der Eltern für das neunjährige Abitur an Gymnasien, was auch die letzte Forsa-Umfrage zum Thema (NRW/ebenfalls 2014) bestätigt, in der sich 76% der befragten Eltern für G9 an Gymnasien aussprachen.
Überdies verdeutlichen Umfragen, dass ca. 70% der Elternschaft sich klar gegen den gebundenen Ganztag mit Nachmittagsunterricht aussprechen, der zumindest an manchen Wochentagen durch G8 notwendig geworden ist, bei einer Rückführung zu G9 mit 179 JWS in der Sek. I aber hinfällig würde. Hierbei geht es wohlgemerkt nicht um den offenen, also freiwilligen Ganztag mit Betreuungsangeboten bei individuellem Bedarf.
Bitte befreien Sie sich vom vereinbarten Schulkonsens und treten Sie für die Wiedereinführung des neunjährigen Abiturs an Gymnasien in NRW mit nicht mehr als 30 Unterrichtsstunden pro Woche ein. Begabte und schnelle Schüler könnten Klassen überspringen, größere Gymnasien G8-Klassen einrichten. Andere Bundesländer, wie zum Beispiel Niedersachsen und Hessen, zeigen, dass die Umsetzung gelingen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Almuth Keller und Manuela Lindkamp.
Warum fordert die Initiative die Absenkung der Pflichtstundenzahl für die Sek. I auf 179 JWS an Gymnasien?
Vorbemerkung: KMK-Vorgabe: bis zum Abitur müssen 265 JWS von allen Schülern geleistet werden.
Sek. I |
Sek. II |
Jahreswochenstunden gesamt |
|
Bis 2005 unter G9 |
179 JWS (Jg. 5-10, alle weiterführenden Schulen) |
86 JWS (Jg. 11-13, alle Oberstufen) |
265 |
Geplant ab 2005 unter G8 durch SPD und Grüne |
188 JWS (Jg. 5-10, alle weiterführenden Schulen, also Gymnasien, Realschulen, etc.) Will ein Realschüler nach der Sek. I in die Oberstufe wechseln, dürfte er mit bisher 179 JWS kein Abitur machen, weil nur 256 JWS gesamt |
77 JWS (Jg. 11 und 12, ein Jahr Oberstufe entfällt!) bliebe die Sek. I bei 179 JWS, gäbe es nur 256 JWS gesamt, also 9 zu wenig, deshalb Erhöhung um 9 JWS in der Sek. I |
265
256 |
Umgesetzt ab 2005 unter G8 durch CDU und FDP wegen Regierungswechsel ab 22.05.2005 (⇒ Änderung APO-GOSt und APO-S1) |
163 JWS (Jg. 5-9, Gymnasien) (keine Fachoberschulreife, da zu wenig JWS!) 188 JWS (Jg. 5-10, andere weiterführende, z.B. Realschulen), weil die Vorgängerregierung dies zugesichert hatte mit MEHR Lehrerstellen = geänderte APO-S1 wurde beibehalten |
102 JWS (Jg. 10-12, alle Oberstufen) |
265
290 (!) |